* 15.10.1982. Andrej Afanas’ev kommt aus Chakasija, einer Republik im Süden Sibiriens. Er ist Anhänger der sogenannten „Bürger der UdSSR“-Bewegung, eines staatsleugnerischen Milieus, dessen Anhänger die heutige Russische Föderation nicht als legitimen Nachfolgestaat der Sowjetunion anerkennen und stattdessen von der fortbestehenden Existenz der Sowjetunion ausgehen. Sie verweigern häufig staatliche Dokumente, lehnen Steuern ab und errichten teils eigene symbolische Verwaltungsstrukturen – vergleichbar mit den „Reichsbürgern“ in Deutschland. Die Bewegung wird in Russland von offiziellen Stellen teilweise kriminalisiert oder psychiatrisiert.
Im Juli 2023 veröffentlichte Afanas’ev auf dem sozialen Netzwerk Odnoklassniki eine Collage, die das Sankt-Georgs-Band zusammen mit einem Hakenkreuz zeigt, versehen mit dem Text: „Das Sankt-Georgs-Band wurde im Zweiten Weltkrieg nur von den ‚Anhängern Vlasovs‘ verwendet“, – gemeint waren damit Kämpfer der sogenannten Russischen Befreiungsarmee unter General Andrej Vlasov, die während des Zweiten Weltkriegs auf Seiten der Wehrmacht gegen die Sowjetunion kämpften. Die Strafverfolgungsbehörden interpretierten dies als „öffentliche Schändung von Symbolen militärischen Ruhms Russlands in vulgärer und obszöner Form“. Afanas’ev räumte ein, das Bild gepostet zu haben, bestritt jedoch seine Schuld. Für eine weitere Veröffentlichung zu einem ähnlichen Thema wurde er bereits zuvor mit einem Bußgeld belegt. Eine vom Ermittlungskomitee angeordnete psychiatrische Begutachtung attestierte ihm eine Persönlichkeitsstörung, die jedoch seine Schuldfähigkeit nicht ausschließt.
Im Juni 2024 wurde er wegen öffentlicher Rehabilitierung des Nationalsozialismus im Internet zu einem Jahr Haft in einer offenen Strafkolonie verurteilt sowie zu einem dreijährigen Verbot, Inhalte im Internet zu veröffentlichen. Außerdem wurde eine verpflichtende psychiatrische Behandlung am Ort des Strafvollzugs angeordnet.
Nach Einschätzung des Menschenrechtszentrums Memorial steht der Fall exemplarisch für den repressiven Einsatz vage formulierter Gesetzesnormen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit. Die betreffende Strafnorm widerspreche dem völkerrechtlichen Prinzip der Rechtsklarheit und kriminalisiere kritische Auseinandersetzungen mit historischen Symbolen. Die Äußerungen von Afanas’ev seien keine Verherrlichung des Nationalsozialismus, sondern eine zugespitzte historische Kritik an der heutigen Symbolpolitik des Staates. Memorial sieht in der Strafverfolgung eine politisch motivierte Maßnahme, die sowohl internationalen Menschenrechtsstandards als auch der russischen Verfassung widerspricht.
Weitere Schreibweise des Namens: Андрей Афанасьев (RU)